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Als Wiener, der im Ausland lebt, hört man immer wieder Komplimente: „Ach – Sie kommen aus Wien? Eine der schönsten Städte der Welt!“

Und es stimmt: Wien ist tatsächlich eine der schönsten Städte Europas, wenn nicht der Welt, gesegnet mit einem außerordentlichen Reichtum an Kulturschätzen und Baudenkmälern, prachtvollen Kirchen und Museen, biedermeierlichen  Bürgerhäusern und gründerzeitlichen Monumentalbauten, raffinierter Jugendstilarchitektur und barocken Adelspalais, und, und, und…

Vor Jahren habe ich einmal in Amerika im Wühltisch einer Reisebuchhandlung einen Reiseführer für Europa gefunden, der offensichtlich für amerikanische Backpacker gedacht war, die das erste Mal nach Europa kommen und in wenigen Wochen gleich den ganzen Kontinent kennen lernen wollen. Mich hat interessiert, was die Autoren über Wien zu sagen hatten. Der genaue Wortlaut ist mir entfallen, aber sinngemäss war es ungefähr folgendes:

„Wenn ein Marsmensch auf der Erde landete und über die politischen Verhältnisse auf unserem Planeten nichts wüsste, dann würde er zweifellos Wien für die Hauptstadt der Erde halten – so prächtig ist diese Stadt.“

So also ist der Ruf, den die Schönheit Wiens immer noch genießt. Hinzu kommt der Mythos des Habsburgerreiches: wie viele Pilger kommen, um dieses untergegangene Märchenland zu ergründen, und um dieselbe Luft zu atmen, die Franz Joseph und Sissi geatmet haben….

Wien lebt gut von diesem Kapital: es ist eine der beliebtesten Destinationen des internationalen Städte und Kongresstourismus.

Umso bedauerlicher ist es, mitansehen zu müssen, wie diese Stadt von Jahr zu Jahr immer schlimmer verunstaltet wird.

Für die rapide Verschandelung Wiens, die in diesem Blog dokumentiert werden soll, sind wohl eine ganze Reihe verschiedener Faktoren verantwortlich. Aber die Hauptursache ist das unheilvolle Zusammenwirken einer korrupten, um die Erhaltung des architektonischen Erbes vollkommen unbesorgten Stadtverwaltung mit Immobilienspekulanten, die bei jeder Altbausanierung die denkmalschutzwidrige Aufstockung des zu sanierenden Gebäudes um ein oder zwei Etagen von vornherein einplanen, weil ohne sie das Gesamtprojekt gar nicht rentabel wäre.

Die „Dachausbauten“, die in den vielen Fällen so aussehen, als sei ein UFO auf dem Dach des Hauses gelandet, sind das auffälligste und schlimmste Symptom der architektonischen Malaise, die Wien befallen hat: in keiner anderen Hauptstadt Europas wäre so etwas möglich. Während man in Paris, Rom, Prag oder Barcelona genau weiss, dass die Dachlandschaft das Erscheinungsbild einer Stadt entscheidend prägt, entwickelt sich Wien zusehends zu einem Ensemble aus grotesk-absurden Weltraumbahnhöfen. Mittlerweile sind in den Innenbezirken wohl bereits gut ein Drittel oder die Hälfte aller Gebäude betroffen – und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Es ist nicht anzunehmen, dass dieser ästhetische Flurschaden jemals wieder rückgängig gemacht werden kann. Aber vielleicht kann man die Verhunzung Wiens wenigstens aufhalten, indem man die Schandtaten an den Pranger stellt. Ich habe mir daher vorgenommen, Bilder von Wiener Dachausbauten zu sammeln und auf diesem Blog zu veröffentlichen. Möge sich jeder Betrachter sein Teil denken.

13 Kommentare Gib deinen ab

  1. Atarista sagt:

    Lieber Augustin,
    Einen herzlichen Dank für diesen bitter nötigen Pranger der architektonischen Vergewaltigung unserer von einer korrupten Proletokratie heimgesuchten Stadt.
    Das Ausmass an Monstruositäten ist zum Heulen.
    Dass diese Verbitterung mittlerweile weit verbreitet ist belegen z.B. die Kommentare zu dem neuesten angekündigten Skandal-Projekt im unten angeführtem Link:
    http://derstandard.at/1310511507907/Aufgeloeste-Hausbesetzung-Unsanfte-Begleitmusik-einer-Renovierung
    (wobei der vorangehende Artikel in seiner schmierigen Anbiederung und manipulativen Formulierung das Grundübel der Wiener Zustände offenlegt – von „Heute“ und „Österreich“ ganz zu schweigen)
    Ich denke der Unmut über die nunmehrige Hure Säupl-City hat mittlerweile ein Mass erreicht, dass man die skandalöse Zerstörung der letzten Jugendstil-Kandelaber am Naschmarkt vor ein parr Jahren als Vorsorgemassnahme gegen den Volkszorn interpretieren kann.
    Vielen Dank nochmals für diesen Blog, der bitter nötig war. Es ist zu hoffen, dass sich in absehbarer Zeit auch ein auf Wien focussierendes lebendiges Internet-Forum bildet, das beiträgt diese und andere skandalöse Zustände aufzugreifen und mittelfristig einer kraftvolle Gegenbewegung aufzubauen.
    Mit besten Grüssen,
    E.

  2. christian sagt:

    Durch Zufall auf diese Seite gestoßen. Dem Text ist nichts hinzuzufügen. Die Verschandelung Wien ärgert mich persönlich sehr.

    Übrigens Lindengasse 60 wird planiert.
    Gebaut wird von der Buwog dieses Gebäude http://www.buwog.at/projekte/7central-mehr-stadt-mehr-wohnung-mehr-leben

    das häßlichste Haus im 7ten steht Zieglergasse Ecke Kandlgasse. Dieser Ausverkauf der Stadt an Architekten die sich überhaupt keine Gedanken um das Stadtbild machen und sich nur profilieren wollen ist ärgerlich.

  3. Ich habe 20 Jahre in Wien gelebt und wenn ich das hier sehe, wird mir übel. Solche absonderlichen Dachorgien habe ich in keiner anderen Stadt jemals gesehen. Mir gefällt Wien nicht mehr, kein Gespür, keine Sensibilität für die Schönheit der Stadt. Schaut Euch allein die Straßenbeleuchtung in Wien an! An Schnüren hängende grauenhafte Neonprügel. die vielleicht in einen Kasernenhof oder ein KZ passen würden, aber in Wien sind sämtliche Gassen mit Neonprügeln verunsataltet. Schats Euch mal die Beleuchtung in der Herrengasse an oder in vielen Gassen des 1. Bezirks!! Mein Fazit: Die Wiener lieben ihre Stadt nicht und dem korrupten Spekulantentum sind Tür und Tor geöffnet. Schade um Wien!! Danke für diese erschreckenden Bilder! Frau Vassilakou, warum tun Sie nichts gegen diese scheußlichen, mönströsen Dachorgien?? Wer genehmigt soetwas eigentlich? Ja, schad um Wien, gefällt mir nicht mehr.

    1. Zorro sagt:

      Bin auch durch Zufall auf diese Seite gestoßen, hab mir jetzt auch alle Bilder angesehen. Muss aber einwerfen das mir einige Projekte doch sehr gut gefallen einige sind aber wirklich katastrophal …

    2. Elke Spiess sagt:

      Kunstlicht in den restaurierten Häusern ist in der Nacht so aktiv, dass Anrainer ständig „beleuchtet“ werden. Dafür gibt es scheinbar kein Verbotsgesetz und jeder ist selbst verantwortlich für Dichtmachen, Dunkelmachen und Melatoninversorgung (bei Kunstlicht vermindert). Wohnt man in unteren Wohnungen leuchtet manchmal die Strassenlaterne direkt in die Wohnung. Erleuchtung wäre eher für die Architekten notwendig, die neuerdings in Glaslokalen Ihre Großraumbüros einrichten, denn so sind diese transparent, sie arbeiten fleißig an der Umwelt.

  4. Kompliment, mein Herr! Sie publizieren justament das Unheil, welches man sonst nur solitär beim Wirt’n in fünf Achterln Gumpoldskirchner zu ersaufen sucht. Ihre Seite wird sogleich allen Bekannten empfohlen. Tausend Dank!

  5. Alex Ambros sagt:

    Ich orte einen unterschwelligen Neid. Würden Sie, wenn Sie mit Immobilien handeln, das DG unverwertet lassen? Es mag sein, dass gewisse DG Ausbauten, deplaziert wirken, jedoch die Mehrzahl fügt sich ein und sorgt für netten Wohnraum. Ausserdem wächst Wien und wer es sich leisten kann und möchte, soll eben am Dach wohnen. In Ihrem Blog führen Sie schlichtweg jeden DG Ausbau an den Sie vor die Linse bekommen und hier verlieren Sie an Glaubwürdigkeit.

    1. Ich bin Eigentümer eines Zinshausanteils, aber der Dachboden ist bisher nicht ausgebaut.

      Ich führe auch nicht jeden Dachausbau an, sondern nur die hässlichen. Allerdings sind eben die meisten Ausbauten leider ziemlich hässlich.

      Hinzu kommt, dass viele Ausbauten auch mit Aufstockungen verbunden sind, die (1) die Statik der Häuser in einer ursprünglich vom Architekten nicht vorhergesehenen Weise verändern, und (2) die in der ursprünglichen Stadtplanung vorgesehene Proportion von Strassenbreite und Gebäudehöhe verändern: d.h. es entstehen unschöne Strassenschluchten und die unteren Etagen haben immer weniger Licht. Aber das braucht die „happy few“ in ihren Penthouses ja nicht zu kümmern.

      Ich habe in den vergangenen Jahren viele europäische und aussereuropäische Städte besucht, kenne aber zumindest in Europa keine andere Stadt, die mit ihrem architektonischen Kulturgut derart fahrlässig umgeht wie Wien.

  6. Elke Spiess sagt:

    Mit großer Freude entdecke ich – per Zufall – diese Seite. Ich hoffe , dass diese weitergeht, da die letzte Eintragung aus Februar.
    Ich beobachte mit großem Unwillen die Verbetonierung, in diesem Fall – 5.er Bezirk und wohne selbst in einem von einem Bauträger gekauften Haus mit Dachausbau. Das beste daran: das Haus ist hartnäckig und alt und hat auf Garagenausbau im Innenhof sowie Dachaufbau seine ganze innere Kraft dagegen geschaltet, nichts funktioniert hier. Die Baustellen dauern 4 Jahre, alles, was fertig ist wird nie fertig, wieder aufgemacht, zugemacht etc.
    Daneben befinden sich 3 ehemalige Taubenhäuser, restauriert , mit Bambusgarten auf der Tiefgarage und so hoch aufgebaut, dass oben ein Flugschiff (Eingangstüre fast zu Gott) drohnt. Dieses hat mein Haus umschattet, kein Licht . Gegenüber befindet sich ebenfalls ein Flugschiffaufbau und gleich daneben noch eines.
    Erlebt man das mit, dann sieht man keinen Ausweg, denn überall ist ähnliches in Gang . Ein sogenanntes Biowohnprojekt mit Wohnungen für Singles, Familien und Kindergarten – gemischt- schaut aus wie eine Hendlfabrik für Massentierhaltung, lobt sich aber des Fortschritts.
    Sollen wir also in Zukunft in Einzelzellen wohnen, dicht aneindandergereiht. Sehr kommunikativ.
    Sehr hilfreich war mir das Buch von Tarek Leitner (Titel siehe dort), der diesen Zustand so schön dokumentiert (u.a. diese Bunker sind ja bereits gebaut und prägen unser Umweltauge, wie sollen diese jemals wieder weg kommen).
    Meine Frage ist, was kann man hier machen ? Denn der Wohnungsmarkt ist ganz eingestellt auf diese Wohnart, ich suche aber genau das nicht.
    Verlaß die Stadt, aber wie, denn – im Umfeld von Wien oder in den angrenzenden Bundesländern sind ebensolche Einbrüche geschehen.
    Es ist sehr sehr traurig und ich dokumentiere mit Fotos. Ich hoffe, dass der Blitz einschlägt oder Gilgamesch bald zuschlägt.

    Grüße

    1. Elke Spiess sagt:

      PS. Mittlerweile wird das „Problem“ Da chausbau nicht mehr hinterfragt,
      alles läuft hier wie gewohnheitsmäßig.
      Die Mäuseparzellen verdichten sich,
      Abstumpfung, der Mensch nimmt hin, was Ihn umgibt, der Mensch denkt, Gott lenkt, heißt jetzt, der Mensch denkt nicht mehr, das Kapital lenkt sehr. Nur wer und wessen Kapital?

  7. pete sagt:

    Naja!
    ich hab ein wenig den eindruck nach studie der HP, dass hier aus prinzip DG-AUsbauten abgelehnt werden, und das ist ein wenig zu einfach! dass es viele absolut hässliche beispiele gibt (wohlgemerkt aus diversesten gründen) streite ich gar nicht ab, aber der Wohnraum ist notwendig und wichtig! dass hier oft „möchte und kann aber nicht“ zusammenkommen ist leider das problem! aber es gibt gute beispiele und architektur ist in einer stadt wie wien nicht nur Hofburg Schönbrunn und Stephansdom sondern auch in all ihrer entwicklung zeitgemäss und auch zeitlos! baustile haben sich immer verändert und zu-Umbauten sind auch in den Jahrhunderten immer gemacht worden!

  8. Hernalser sagt:

    Ich habe eine ambivalente Meinung. Grundsätzlich eine gute Idee, so einen Blog zu machen, allerdings habe ich gegen viele der gezeigten Beispiele optisch nichts einzuwenden und finde sie teilweise entweder passend oder als ansprechenden Kontrast verschiedener Stile, zB bei Eckpergasse, Sechskrügelgasse und Säulengasse. Es zeigt sich da wieder, dass Geschmäcker verschieden sind. In diesem Sinne fände ich aber einen meinungsoffeneren Zugang zu diesem Thema nützlicher, – also statt subjektives Missfallen gleich als vermeintlich objektiv hässlich zu brandmarken oder gar als „Geschwür“ zu bezeichnen und diese kommentieren zu lassen, lieber von vorne herein einen Diskurs zu verschiedenen Meinungen inklusive Hintergründen und fachlichen Einwürfen ermöglichen.

  9. Alex GG sagt:

    Also eines der Hauptprobleme in Wien scheint nicht nur die unendliche Bürokratie zu sein, die jeder Altbausanierung bevorsteht, sondern schlicht die Unlust, etwas zu machen. Habe einen Bekannten bei einer Baufirma in Wien (König Heinrich im 23. http://www.koenig-heinrich.at/sanierung/altbausanierung ) der mir mal folgendes erzählt hat:
    Familie besitzt Altbau. Familie bekommt von Baufirma Angebot, die Wohnung zu sanieren. Der Familie wird vorgerechnet, dass mit dem damals aktuellen Sanierungsfonds praktisch kein Selbstbehalt bleiben würde. Und jetzt kommt’s: Familie unternimmt absolut nichts. Soweit ich weiß verfällt die Fassade immer noch. Ich weiß wirklich nicht, was man noch mehr machen kann, als den Leuten zu zeigen, dass sie dringend sanieren sollten, und sie sogar aktiv auf diverse Förderungen aufmerksam zu machen und ihnen das gesamte Projekt mit allen Kosten vorzurechnen. Es ist ein Trauerspiel mit den Wienern.
    Trotzdem Hut ab vor allen, die sich die Mühe dennoch antun – es zahlt sich oft wirklich aus. Für mich ist Wien immer noch die schönste Stadt der Welt – und hoffentlich bleibt sie das auch.

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